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Dr. Holger Winkler

Fahrtpläne und Großgeräteplanung

Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe, Hamburg

Forschungsfahrt SO-248

Sonne Forschungsfahrt
BacGeoPac 1 Mai 2016

SO-248 „BacGeoPac“ 01.05.2016 (Auckland, Neuseeland) – 03.06.2016 (Dutch Harbor, Alaska, USA)

Wo ist die Sonne gerade?

1. Wochenbericht (28.04.16 – 02.05.16)

RV Sonne seen from Sky Tower Auckland     RV Sonne in the harbour of Auckland

Bis zum 29. April waren alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Expeditionsfahrt SO248
„BacGeoPac“ wohlbehalten und mit allem Gepäck in Auckland, Neuseeland, eingetroffen und sind
am 30. April an Bord des Forschungsschiffes (FS) „Sonne“ gegangen. Alles Frachtgut, das in
Containern per Schiff und per Luftfracht vorausgeschickt worden war, befand sich bereits an Bord, so dass die Fahrt pünktlich mit Auslaufen am. 1. Mai beginnen konnte. Vortrupps der Wissenschaftler waren bereits am 28. und 29. April an Bord gewesen, um Dinge mit dem Kapitän und der Mannschaft vorzubesprechen und um bereits einige Geräte aufzubauen. So konnte die 40-köpfige wissenschaftliche Besatzung aus sechs Instituten und sieben Ländern guten Mutes und mit erwartungsvoller Spannung aus dem wunderbar gelegenen Hafen von Auckland auslaufen und Kurs auf die erste Station bei 30°S nehmen, die sie am 3. Mai erreichen wird. Die Forschungsfahrt wird bis in die subarktische Beringsee auf 60°N gehen und in Dutch Harbor enden, dem größten Hafen der Alëuten auf der Insel Unalaska.

Die Wissenschaftler wollen auf dieser Expedition entlang eines Transektes um den 180° Längengrad herum neben der Hydrografie und den optischen Eigenschaften des Wassers die Zusammensetzung und Bedeutung der Bakteriengemeinschaften und ihrer gelösten organischen Nährstoffe in den verschiedenen Klimaregionen des Pazifiks, den sogenannten biogeografischen Provinzen, untersuchen. Diese Provinzen unterscheiden sich hinsichtlich der Wassertemperatur, des Salzgehaltes, der Nährstoffe und der Zusammensetzung des Phytoplanktons und Zooplanktons und nach neueren ersten Untersuchungen auch hinsichtlich der Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaften und der gelösten organischen Substanzen, den Hauptnährstoffen der Bakterien. Genauere Untersuchungen zu den zwei letzten Aspekten gibt es aber bisher nicht.
Ebenfalls kaum untersucht sind die Bakterien der Tiefsee und des Meeresbodens des Pazifiks. Daher wollen die Hydrografen, Biooptiker, Geochemiker und Mikrobiologen mit ganz unterschiedlichen Expertisen dieses Forschungsgebietes ihre Expertisen bündeln und die ersten Untersuchungen dieser Intensität im Pazifik durchführen, die größtenteils rein auf Mikroorganismen fokussiert sind.

Diese Untersuchungen erfordern die Verarbeitung großer Wassermengen an Bord. Um den
Zeitbedarf der Stationen zu reduzieren, hat das Institut für Chemie und Biologie des Meeres der
Universität Oldenburg (ICBM), das Heimatinstitut des FS Sonne, speziell für diese Fahrt eine
großvolumige CTD-Rosette angeschafft bzw. konstruiert. Wir sind sehr froh an Bord, diese CTD zu haben, denn sonst könnten wir die geplanten Arbeiten gar nicht in der vorgesehenen Zeit durchführen.

Die Einrichtung der Labore ist inzwischen schon weit fortgeschritten und erste konkrete Planungen für die Stationsarbeiten und Absprachen mit Kapitän Lutz Mallon und seiner Mannschaft haben bereits stattgefunden. Er und alle seine Mitarbeiter sind äußerst kooperativ und hilfsbereit, so dass wir sehr zuversichtlich sind, während der Expeditionsfahrt in jeder Weise technisch und alle Angelegenheiten an Bord betreffend hervorragend unterstützt und betreut zu werden.

Meinhard Simon im Namen der Wissenschaft und Besatzung

2. Wochenbericht (02. – 09.05.16)

Nach einer Woche Fahrt seit dem Verlassen von Auckland sind wir inzwischen bei der Station 4 bei 10° 30‘ S und 176° 30‘ W angekommen, weit weg von allen Kontinenten und Inseln mitten im zentralen Pazifik. Wir sind östlich an den Fidschi Inseln vorbeigefahren und dann in Sichtweite an der Insel Futuna, die zu Französisch-Polynesien gehört. Das war für die nächsten zweieinhalb Wochen der letzte Blick auf Land, denn bis zu den Alëuten sind die einzigen Inseln in der Nähe unserer Fahrtroute der hawaiianische Archipelago, der aber auch mindestens 1000 Seemeilen entfernt ist.

Die Fahrt verlief bisher für uns problemlos und wir haben vier Stationen beprobt. Eine der vorgesehenen Stationen im Hoheitsgebiet der Fidschi Inseln mussten wir auslassen, da trotz rechtzeitiger Beantragung keine Genehmigung für die vorgesehenen Arbeiten vorlag. So mussten wir bei den bis zum Äquator für jeden 5. Breitengrad geplanten Stationen die Station bei 20°S auslassen. Wir hatten dadurch etwas mehr als zwei Tage reine Dampfzeit und haben während dieser Zeit einen kräftigen Sturm mit Windstärke 8 und 4-6 Meter hohen Wellen in der Region des Südpostpassatwindes durchquert. Sonne lag aber dank der Stabilisatoren die ganze Zeit recht ruhig im Wasser. Die Wassertemperatur hat seit der ersten Station deutlich zugenommen, von 23°C bis 30°C bei der Station 4. Die Lufttemperatur ist ähnlich hoch und entsprechend die Luftfeuchtigkeit. Dank des gut klimatisierten Schiffes ist es aber an Bord und vor allem im Schiff gut auszuhalten. Das Wasser ist schon seit der ersten Station extrem klar. Unsere Biooptik-Gruppe von Daniela Voss misst an jeder Station die sogenannte Sichttiefe mit einer Secchi-Scheibe. Dafür wird eine weiße Scheibe mit 90 cm Durchmesser ins Wasser abgesenkt bis sie nicht mehr sichtbar ist. An allen Stationen war das erst in 40 bis sogar 50m Tiefe der Fall.

Bei unserer ersten Station bei 30°S haben wir alle Geräte für die Probennahme in der Wassersäule sehr erfolgreich getestet. Besonders zufrieden waren wir darüber, dass die großvolumige CTD-Rosette auf Anhieb problemlos funktioniert hat. Denn vor der Fahrt war nur Zeit gewesen, ihre Funktionsfähigkeit einmal im Jadebusen kurz zu überprüfen. Sie hat sich bei allen Probennahmen bisher bestens bewährt, auch die Konstruktion insgesamt. Hier möchte ich Thomas Badewien und seinem Team für die wohlüberlegte und hervorragende Arbeit bei der Konstruktion und beim Bau sehr herzlich danken. Durch die großen Wassermengen der 24 Schöpfer mit je 20 Litern erhalten wir in einem Zug so viel Wasser, dass wir bisher mit einer „flachen“ CTD (bis 1000 m Tiefe) und einer „tiefen“ CTD (bis zum Meeresgrund, z. T. in mehr als 4000 m und im weiteren Verlauf der Reise bis 6000 m) immer genügend Wasser erhalten, um alle Wasserwünsche erfüllen zu können, auch die der sehr „durstigen“ Gruppen an Bord. Nur ab und zu müssen wir eine extra CTD fahren, um Sonderwünsche für besonders viel Wasser zu erfüllen.

Auch das Schleppen eines Planktonnetzes an der Oberfläche mit zwei Netzen hat auf Anhieb bestens funktioniert. Mit diesem Netz möchte eine Gruppe an Bord Mikroplastik an der Oberfläche sammeln, dessen Verbreitung und mikrobielle Besiedlung untersuchen. Allerdings ist das Wasser bisher so klar und sauber, dass noch kein einziges Plastikstück im Netz hängen geblieben ist.

Bei der Station 2 bei 25°S haben wir den neuen Multicorer (MUC) zum Stechen von Oberflächensediment auch sehr erfolgreich getestet. Alle Plastikzylindern waren mit braunem, weichen Sediment gefüllt. Nur war leider eine der acht Röhren zusammen mit der Halterung nicht wieder mit an Bord gekommen, so dass auf der weiteren Fahrt Bert Engelen und sein Team mit sieben Röhren für die Untersuchung der Bakteriengemeinschaften im Sediment auskommen müssen. Die ersten Daten zeigen, dass im Tiefseesediment des subtropischen Pazifiks unterhalb von 4000 m im Vergleich zu anderen Meeresböden sehr viel weniger Bakterien leben. Welche es sind, werden die weiteren Analysen nach Abschluss der Fahrt zeigen.

Alle Stationsarbeiten werden durch Kapitän Lutz Mallon und seine Mannschaft bestens und sehr zuvorkommend unterstützt. Das ein oder andere technische Problem in den Laboren und an Gerätenkonnte schnell behoben werden, so dass alle unsere Geräte und die Gerätschaften und Einrichtungen an Bord immer gut voll einsetzbar waren und hoffentlich auch bleiben werden.

Zur Vorbereitung und Planung der Stationsarbeiten und zum Kennenlernen der verschiedenen Projekte, welche von den unterschiedlichen Gruppen an Bord durchgeführt werden, finden abends im dafür sehr geeigneten Konferenzraum regelmäßig Besprechungen und kurze Vorträge statt. Dadurch ergeben sich zudem neue Kooperationen, an welche einzelne Gruppen in der Vorbereitung noch gar nicht gedacht haben und wodurch das Forschungsprogramm z.T. interessante Erweiterungen erfährt.

Wir werden nach Plan bis zum Äquator noch eine Station bei 5°S haben und am 12. Mai bei 0° S/N ankommen und dort bei 180°W oder O, je nach Belieben, eine 24 Stunden Dauerstation haben.

Aus den Weiten des tropischen Pazifiks grüßt im Namen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und der Besatzung

Meinhard Simon

3. Wochenbericht (09. – 16.05.16)

Am späten Abend des 11. Mai haben wir auf unserem langen Transekt die wohl markanteste Station erreicht: den Äquator an der Datumsgrenze (0° N/S, 180° W/O), unsere Station 6. Davor hatten wir am 10. Mai die Station 5 bei 5° S, 178° 19,0‘ W erfolgreich beprobt. Am Äquator haben wir eine 24 Stunden-Dauerstation gehabt und 2 Seemeilen davor erfolgreich einen MUC gefahren. An einigen Indizien haben wir feststellen können, dass wir uns im nähstoffreichen Auftriebsgebiet des Äquatorialstroms befanden. Die Strömung in Ost-Westrichtung hatte bis zu 2 Knoten und zeigte somit eindrucksvoll, wie stark diese Strömung ausgeprägt ist. Außerdem war das tiefe Chlorophyllmaximum, die Tiefe, in der sich die Hauptmasse des Phytoplanktons, hier insbesondere blaugrüne Cyanobakterien, anzutreffen sind, deutlich höher in der Wassersäule als zuvor, bei ca. 60 m in Gegensatz zu 90-110 m weiter südlich im tropischen Südpazifik. Und zudem waren in Sedimentproben unter dem Mikroskop deutliche Reste von Kieselalgenschalen zu sehen.

Die Arbeiten der Mikrobiologen in den oberen 1000 m der Wassersäule und die der Geochemiker sind Teil von Projekten im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft seit 2010 geförderten Transregio-Sonderforschungsbereichs (SFB) „Ökologie, Physiologie und Molekularbiologie der Roseobacter-Gruppe: Aufbruch zu einem systembiologischen Verständnis einer global wichtigen Gruppe mariner Bakterien“ (www.roseobacter.de). Das übergeordnete Ziel dieses SFB ist, die evolutionären, genetischen und physiologischen Prinzipien dieser wichtigen Gruppe von Meeresbakterien zu verstehen. Während dieser Reise steht daher diese Bakteriengruppe sehr im Fokus der mikrobiologischen Untersuchungen.

Hauptziel der Station am Äquator war, die Tag-Nacht-Rhythmik der Bakteriengemeinschaften und der ihnen zur Verfügung stehenden gelösten organischen Nährstoffe zu untersuchen. Dafür wurden von 6 Uhr am 12. Mai bis um 6 Uhr am 13. Mai alle drei Stunden eine CTD bis in mindestens 300 m Tiefe gefahren und mehrere Tiefen bis mindestens zum tiefen Chlorophyll-Maximum beprobt. Die Mikrobiologen an Bord haben aus diesen Proben Bakterien herausfiltriert und sie bei -80°C eingefroren, um später in den Heimatlaboren zu analysieren, wie die phylogenetische Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaften, deren Stoffwechselaktivität und Genexpressionsmuster sich im Verlauf des Tages und der Nacht ändern. Außerdem wurde aus diesen Proben direkt an Bord die Bakterienzellzahl, Biomasseproduktion, Wachstumsrate und die Umsatzrate von freien gelösten Aminosäuren und Glucose sowie die Hydrolyseaktivität von Polysacchariden bestimmt. Wenn diese Proben in wenigen Tagen ausgewertet sind, haben wir bereits an Bord erste Ergebnisse über den Tag-Nacht-Rhythmus des Stoffumsatzes der Bakteriengemeinschaften. Diese Ergebnisse werden uns helfen, um eine ganz ähnliche 24 Stunden-Untersuchung im nördlichen Pazifik noch besser planen und durchführen zu können. Die Geochemiker und Biooptiker haben zudem im selben Zeittakt Proben der 24 Stundenserie genommen, um sie später auf die Zusammensetzung der gelösten organischen Nährstoffe hin zu analysieren.

Die genannten Parameter werden an jeder Station in der Wassersäule bis in 300 m Tiefe und an einigen Stationen ausgewählte Parameter auch bis in 1000 m Tiefe untersucht. Zudem werden immer Proben genommen, um die anorganischen Nährstoffe, gelöste Aminosäuren und Kohlenhydrate, das gesamte gelöste organische Material (dissolved organic matter=DOM), Chlorophyll und den partikulären organischen Kohlenstoff zu analysieren, als biogeochemische Hintergrundinformation. Daher ist die Haupttätigkeit der Mikrobiologen an Bord, Wasserproben zu filtrieren, was durchaus nach jeder Station mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Eine Gruppe an Bord benötigt für die Untersuchung der Populationsgenomik ganz bestimmter Bakterien aus der Roseobacter-Gruppe sehr viel Wasser und setzt daher eine sogenannte in situ-Pumpe ein. Diese Pumpe wird an in der Regel jeder zweiten Station an einem Stahlseil bis in die gewünschte Tiefe, meist 60 m, herabgelassen und filtriert dort nach Programmierung für in der Regel drei Stunden Meerwasser. Anschließend wird sie wieder an Bord gebracht, die Filter mit den aufkonzentrierten Bakterien herausgenommen und bei -80°C eingefroren.

Um zu prüfen, ob und wenn ja wie die Bakteriengemeinschaften auf geänderte Nährstoffverhältnisse reagieren, führen wir an Bord sogenannte Mesokosmenversuche durch. Dafür werden 20 Liter-Gefäße mit Meerwasser gefüllt und zu einer Serie werden Ausscheidungsprodukte von Kieselalgen, zu einerzweiten Serie spezielle Polysaccharide aus Algen und zu einer dritten Serie Vitamin B12 zugesetzt. Die Mesokosmen werden dann über sechs Tage beprobt, die Proben genauso verarbeitet wie die der Tiefenprofile, so dass wir später analysieren können, wie die Bakteriengemeinschaften auf diese unterschiedliche Bedingungen reagieren. Das ermöglicht uns, Rückschlüsse zu ziehen auf die Regulation der Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaften durch die unterschiedlichen Lebensbedingungen und unsere Ergebnisse der Profilmessungen sehr viel besser zu verstehen. Diese Mesokosmenversuche werden an insgesamt drei Stationen durchgeführt. Eine Versuchsserie an Station 2 ist abgeschlossen, eine zweite wurde gestern an der Station 5 bei 4° 30‘ N begonnen und die dritte Serien wird bei ca. 40° N durchgeführt, wo wir erwarten, die Phytoplanktonfrühjahrsblüte des nördlichen Pazifiks anzutreffen.

Bei der Äquatorstation hatten wir neben den intensiven Arbeiten während der 24 Stunden trotzdem genügend Zeit, unsere Anwesenheit an diesem besonderen Ort fotografisch zu dokumentieren. Am Pfingstsonntag sind wir den ganzen Tag gedampft, um in der Nacht auf den Pfingstmontag um 2 Uhr auf unserer nächsten Station bei 11° N anzukommen. Daher war genügend Zeit, diesen Feiertag mit einem Grillabend im Hangar und auf dem Arbeitsdeck würdig zu begehen. Das Essen hat allen Wissenschaftlern und der Mannschaft bestens gemundet. Dafür, aber auch für das tägliche vorzügliche Essen, sei dem Koch Andreas Spieler und seiner Küchencrew herzlich gedankt.

Herzliche Pfingstgrüße sendet im Namen der Wissenschaft

Meinhard Simon

4. Wochenbericht (16. – 23.05.16)

Nach dem Durchqueren der tropischen und subtropischen Regionen des Pazifiks sind wir inzwischen bei 37°N in der gemäßigten Zone angekommen. Die Wassertemperatur beträgt hier nur noch 16°C und die der Luft sogar nur noch 12°C. Aus europäischer Sicht würde man so kühle Temperaturen in diesen Breitengraden nicht erwarten, aber hier im Pazifik macht sich der Einfluss der gemäßigten und subarktischen Zone ohne Barriere zur Arktis schon sehr viel weiter südlich deutlich bemerkbar. Wir haben etwa an jedem 6. Breitengrad eine Station untersucht, immer abwechselnd eine flache bis 1000 m Tiefe und eine bis zum Meeresgrund. Am 22. Mai wurde die flache Station 12 beprobt. Bereits an der Farbe des Wassers sieht man, dass es nicht mehr so klar wie in den Tropen ist. Die Sichttiefe betrug nur noch 14 m und es war kein tiefes Chlorophyllmaximum mehr ausgebildet. Im geschleppten Bongonetz waren das erste Mal Radiolarien und viele Zooplanktonkrebse enthalten, ein deutliches Zeichen der höheren Produktivität in diesen Breiten. Außerdem waren auch recht viele Plastikstücke darin enthalten, ein deutliches Zeichen der Zivilisation und vermutlich ein Hinweis auf die im nordpazifischen Wirbel vorhandenen großen Mengen an Plastik. Dieses im Vergleich zu den subtropischen und tropischen produktivere Gebiet hat sich seit vorgestern angedeutet, denn wir haben seitdem wieder mehr Seevögel gesehen, vor allem Sturmvögel und auch Albatrosse und am 21. Mai sogar die ersten Wale, vermutlich Minkwale.

Die Verbreitung von an der Oberfläche schwimmendem Plastik im Pazifik und dessen Besiedlung durch Tiere und vor allem Mikroorganismen ist eines der Themen, mit dem sich die Gruppe an Bord von der Universität Wien befasst. Ihr Leiter, Prof. Gerhard Herndl, ist selbst nicht an Bord, wird aber sehr gut vertreten durch seinen Mitarbeiter Thomas Reinthaler, der zusammen mit fünf Kolleginnen und Kollegen die Arbeiten durchführt. Die Hauptfragestellung dieser Gruppe ist die Untersuchung des Kohlenstoffkreislaufs in der Tiefsee und die Identifizierung der daran beteiligten Prokaryonten, insbesondere von Archaeen. Da ein Teil von ihnen CO 2 fixieren kann, also autotroph lebt, wird in Wasserproben von unterhalb der durchlichteten Zone gemessen, wie viel CO 2 dort fixiert wird. Und zudem wird erforscht, wie schnell oder sachlich richtiger, wie langsam Prokaryonten in der Tiefsee wachsen, wieviel Biomasse sie dort produzieren und welche Bedeutung diese Prozesse für den gesamten Kohlenstoffkreislauf der Ozeane insgesamt haben. Obwohl alle Prozesse in der Tiefsee durch die Kälte und Nährstoffarmut und die dort in sehr viel geringeren Häufigkeiten auftretenden Mikroorganismen deutlich langsamer ablaufen als in den oberflächennahen Schichten der Ozeane, sollte man die Bedeutung dieser Prozesse durch die enorme Größe dieses Lebensraumes keinesfalls unterschätzen. In einem weiteren Projekt wird untersucht, ob Archaeen in der Tiefsee ihren Kohlenstoffbedarf auch durch Harnstoff zumindest teilweise decken können. Außerdem werden in einem Pilotprojekt gelöste Proteine aus dem Wasser der Tiefsee isoliert, um deren Identität später zu bestimmen. Für diese Analysen werden die Proteine aus 480 Liter Meerwasser aufkonzentriert, was zwei Tage dauert. Da die Zelldichten der Prokaryonten in der Tiefsee mindestens um den Faktor 10, in sehr großen Tiefen unterhalb von 3000 m bis um den Faktor 100 niedriger sind als in oberflächennahen Schichten, benötigt diese Gruppe immer wieder besonders viel Wasser, für die genannten Analysen 1000 L und für einige Experimente zwischen 240 und 480 Liter, also die Hälfte oder sogar alle Schöpfer der CTD. Dank der großvolumigen Schöpfer ist dieser große Wasserbedarf kein Problem, und es konnten bisher immer alle Wasserwünsche erfüllt werden. Unterhalb von 2000 m leben Prokaryonten offensichtlich gut an den hohen Druck angepasst. Daher ist deren Wachstum unter atmosphärischen Bedingungen an der Wasseroberfläche möglicherweise gehemmt und könnte zu falschen Messergebnissen führen, wenn das Wachstum bei Atmosphärendruck gemessen wird. Deshalb wurde an einer Station das Wachstum der Prokaryonten in einem speziellen Inkubator in 2000 m Tiefe gemessen indem das Gerät für acht Stunden in dieser Tiefe an einem Stahlseil exponiert wurde. Die Ergebnisse dieser Messungen stehen noch aus.

Inzwischen ist jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler mit allen Räumen und Ecken an Bord gut vertraut. Der letzte noch fehlende Bereich des Schiffes, mit dem sich in der vergangenen Woche alle vertraut machen konnten, waren die Räume in den untersten Decks, wo sich vor allem die Motoren, der Antrieb, der Windenraum, die Wasserraufbereitung und die Bordkläranlage befinden. Der leitende technische Offizier, Achim Schüler, gab allen eine sehr interessante und kompetente Führungdurch diese Schiffskatakomben, die man während der Fahrt gar nicht genauer wahrnimmt. Es wurde aber jedem deutlich, dass zum reibungslosen Betrieb und den sehr komplexen Anforderungen des Forschungsschiffes ein technisches Team ständig im Einsatz ist, welches mit allen Anlagen in den untersten Decks bestens vertraut ist. Immer wieder auftretende kleinere oder größere technische Probleme werden stets so gelöst oder behoben, dass die wissenschaftliche Arbeit in keiner Weise davon betroffen ist. Für den meist unbemerkten aber wichtigen Einsatz möchte ich Achim Schüler und seiner Mannschaft im Namen der Wissenschaft herzlich danken.

Es grüßt im Namen der Wissenschaft

Meinhard Simon

5. Wochenbericht (23. – 30.05.16)

Am Abend des 27. Mai haben wir den eigentlichen Pazifik verlassen und sind durch die Inselkette der Alëuten in die Bering See gefahren. Wir hatten Glück und konnten bei recht guter Sicht mit dem Fernglas drei der noch schneebedeckten gebirgigen Inseln sehen, die in 40 nautischen Meilen Entfernung lagen. Davor hatten wir zwischen dem 23. und 27. Mai die Stationen 13 bis 16 bei 40°, 45°, 47,5° und 50° N beprobt, bei 50° wieder eine 40 Stunden-Dauerstation, bei welcher der in situ Inkubator der Wiener Gruppe auch wieder zum Einsatz kommen konnte. Die Oberflächentemperatur hat weiter deutlich abgenommen. Bei 40°N betrug sie 10°C und bei 45°N nur noch 6°C und jetzt in der Bering See beträgt sie 4-5°C. Beim Schreiben des Berichts liegen wir auf Station 18 bei 57°N, 179° 35’E. Gestern haben wir die erste Station in der Bering See beprobt, Station 17, noch auf dem Alëuten-Rücken und daher nur 770 m tief. Der Himmel ist seit Tagen fast immer bedeckt, aber es ist trocken geblieben. Es ist eindrücklich hier vor Ort zu erleben, wie kalt der Pazifik in der geografisch gemäßigten Zone ist, was ihm daher verständlicherweise den Namen subarktischer Pazifik eingebracht hat. Wenn der wärmende Effekt des Golfstromes fehlt, reicht der Einfluss der Arktis doch recht weit nach Süden.

Bei allen Stationen nördlich von 34° zeigte sich an den im Vergleich zu den weiter südlich liegenden nährstoffärmeren Stationen die hohe Produktivität des Phytoplanktons anhand der hohen Fluoreszenz-/Chlorophyll-Werte. Zudem waren in den Bongo-Netzzügen weiterhin große Mengen an Zooplankton enthalten, aber nur wenig Plastik. Die Biomasseproduktion der in den obersten 100 m in der Wassersäule lebenden Bakterien nahm allerdings mit abnehmender Temperatur Richtung Norden sehr deutlich ab, vermutlich durch die geringe Temperatur, denn Nährstoffe gibt es hier genug für die Bakterien. Allerdings nahm die Bakterienzellzahl in den obersten Schichten der Wassersäule von den Tropen bis auf 50°N sehr deutlich zu von weniger als 0.5 Mio auf über 2 Mio Zellen pro Milliliter. Worauf diese Zunahme zurückzuführen ist, müssen weitere Datenanalysen erst noch zeigen. In den mit dem MUC genommenen Oberflächensedimenten wurden nach Norden auch höhere Zellzahlen gezählt, vermutlich ebenfalls eine Folge der höheren Produktivität im subarktischen Pazifik im Vergleich zu weiter südlich gelegenen Gebieten. Die Farbe des Sedimentes ist hier im Norden viel brauner, was auf einen höheren Gehalt an organischem Material hinweist und ein Anzeichen für größere Mengen an bis zum Meeresboden absinkendem Material ist. Das sEdiment an station 18 in der Bering See ist sogar olivgrün, vermutlich durch das abgesunkene und wenig abgebaute Phytoplankton. Ein nicht erwarteter Befund auf dem gesamten Transekt von den Tropen in die Subarktis war ein sehr ausgeprägtes Sauerstoffminimum in den Wassertiefen zwischen etwa 300 und bis unterhalb 1000 m, teilweise mit Minima von nur 10-20% der oberflächennahen Werten. In der Bering See scheint es ebenfalls sehr deutlich ausgeprägt zu sein.

Dies ist der letzte Wochenbericht unserer Reise SO248, denn sie endet am kommenden Freitag, dem 3. Juni, in Dutch Harbor, dem wichtigsten Fischereihafen der Alëuten auf der Insel Unalaska. Vor uns liegt nur noch morgen am 30. Mai die nördlichste und tiefe Station bei 58° 54‘ N, 179° 20‘ E. Beide tiefen Stationen in der Bering See sind noch einmal besonders interessant, weil das 3900 m tiefe Becken der Bering See sehr abgeschlossen ist und kaum Wasseraustausch mit dem Pazifik hat. Nach der morgigen Station folgt das Aufarbeiten der letzten Proben und das Verpacken von allem Material in die Kisten und Container für den Rücktransport nach Deutschland und Auckland und das Putzen der Labore. Ein erheblicher Teil des Materials wird bei der Reise SO254 vom 29. Januar bis 1. März 2017 wieder benötigt, die auch wieder in Auckland beginnt und endet und als südlichsten Punkt 60°S hat. Die meisten für uns sehr kostbaren Proben werden tiefgefroren mit Express-Luftfracht nach Deutschland zurückbefördert. Auf der Reise SO254 werden wir den Transekt nach Süden fortsetzen, so dass wir insgesamt mit beiden Reisen einen Transekt von 60°S bis fast 60°N abdecken. Damit haben wir alle iogeografischen Provinzen des Pazifiks von der Subantarktis bis in die Subarktis erfasst und können uns einen sehr detaillierten Einblick in die Zusammensetzung und Stoffwechselpotential der Bakteriengemeinschaften in allen biogeografischen Provinzen des Pazifiks verschaffen.

Bei allen Arbeiten an Deck mit Einsatz von Winden und Geräten wie der CTD, dem MUC, der in situ Pumpe, dem Profiler und dem in situ Inkubator haben uns immer äußerst hilfsbereit und sehr kompetent Torsten Bierstedt und seine Decksmannschaft unterstützt. Ohne deren Hilfe hätten wir kein einziges Gerät ins Wasser bekommen. Daher möchte ich mich ganz herzlich bei Torsten Bierstedt und seinem Team für ihren großen Einsatz und ihre zu allen Tages- und Nachtzeiten zur Verfügung stehende Hilfsbereitschaft bedanken.

Wir werden am Ende dieser Reise insgesamt etwa 6500 Seemeilen zurückgelegt und damit eine der von der Strecke her längsten Reisen mit Sonne unternommen haben. Obwohl die Reise noch nicht zu Ende ist und wir noch einige Tage vor uns haben, möchte ich mich im Namen aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schon jetzt bei allen Mitgliedern der Besatzung für deren in jeder Hinsicht hervorragende und immer zur Verfügung stehende sehr zuvorkommende Unterstützung unserer Arbeiten herzlichst bedanken. Das gilt in besonderem Maß für den Kapitän, Lutz Mallon, der mit seiner ruhigen und gelassenen Art das Schiff, seine Besatzung und alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord durch alle stürmischen und sonstigen schwierigen Bedingungen bestens führt.

Es grüßt ein letztes Mal im Namen der Wissenschaft

Meinhard Simon

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(Stand: 19.01.2024)  | 
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